„Arbeit an den Rändern“: Marina Rauchenbacher im Comic-Steckbrief
Für Marina Rauchenbacher bieten Comics spannende Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit randständigen und grenzüberschreitenden Themen. Was sie darüber hinaus an der Comicforschung reizt, erzählte sie uns im Interview.
Im Rahmen unserer Interviewreihe „Comic-Steckbriefe“ geben uns Comicforschende Einblicke in ihre Interessen, ihre Arbeit sowie ihre Hoffnungen und Wünsche für das Forschungsgebiet. Befragt werden sie von den Herausgeberinnen der geplanten Buchreihe „Comicstudien“, Juliane Blank, Irmela Krüger-Fürhoff und Véronique Sina.
Langsam aber sicher neigen sich unsere Steckbriefe dem Ende zu, doch noch ist nicht Schluss! In der letzten Woche berichtete uns der Japanologe Stephan Köhn von seiner Sicht auf die Comicforschung und auf Mangas im Speziellen. In der siebten Ausgabe des Comic-Steckbriefs kommt nun Dr. Marina Rauchenbacher zu Wort. Sie ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und zurzeit an der Universität Wien tätig. Unter anderem forscht sie dort an „Visualitäten von Geschlecht in deutschsprachigen Comics“.
Wie bist Du zum Comic gekommen?
Marina Rauchenbacher: Meine Beschäftigung mit Comics hat (abgesehen von einigen Kindheitslektüren) spät und in einem akademischen Rahmen begonnen. Zu Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn habe ich in einem Projekt zur Auseinandersetzung deutschsprachiger Literatur mit Bildender Kunst gearbeitet und habe mich im Zuge dessen zusehends mit Intermedialitäts- und Bildtheorien beschäftigt. Für meine Dissertation zur Rezeption Karoline von Günderrodes habe ich dieses Wissensgebiet um die – vor allem feministischen – Visual Culture Studies erweitert. Im Zuge dessen bin ich dann auch zur Comicforschung gekommen. Seit 2019 arbeite ich gemeinsam mit Susanne Hochreiter und Katharina Serles im FWF-Projekt „Visualitäten von Geschlecht in deutschsprachigen Comics“ und bereite derzeit ein Forschungsprojekt vor, das sich auch mit Comics beschäftigen wird.
Was sind Deiner Meinung nach Stärken der Comicforschung?
MR: Comicforschung arbeitet in meinem Verständnis an und mit Grenzen zwischen Disziplinen und institutionellen Verankerungen und oft an Themen, die von den Rändern kommen oder Grenzüberschreitungen thematisieren. Das bietet spannende Möglichkeiten für die Auseinandersetzung mit medialen Konzepten, randständigen Themen und machtpolitischen Dimensionen, die dann idealerweise auch für ein breiteres Publikum aufbereitet werden können.
Was wünschst Du Dir für die (Zukunft der) Comicforschung?
MR: Spannend sind für mich insbesondere kulturwissenschaftliche und dezidiert gesellschaftspolitische Ausrichtungen, die selbstkritisch bleiben und die eigenen Bedingungen diskutieren. Darüber hinaus ist es – bei aller Notwendigkeit einer stärkeren Institutionalisierung von Comicforschung im deutschsprachigen Raum – wünschenswert, dass es nicht die Comicforschung gibt, sondern Forschung an Comics ein diverses und lebhaftes Feld bleibt, das von unterschiedlichsten Menschen aus unterschiedlichsten Disziplinen betrieben wird. Das macht Comicforschung so interessant.
Was macht für Dich die Reihe „Comicstudien“ aus?
MR: Während englischsprachige Comic-Forschung im deutschsprachigen Raum ausführlich rezipiert wird, ist dies umgekehrt aufgrund der Sprachbarriere nicht der Fall. Dieses Problem geht klarerweise über Comicforschung hinaus, zeigt sich aber hier deutlich. Die „Comicstudien“-Reihe wird auch gemischtsprachige Bände publizieren und damit auf dieses Problem aufmerksam machen. Zudem ist geplant, Nachwuchswissenschaftler*innen Raum zu geben und so die Entwicklung der Comicforschung zu fördern. Auch denke ich, dass die innovativen Potenziale, die in Comics und Comicforschung angelegt sind, neue Publikationsformate brauchen, die z.B. Kunstproduktion, Vermittlung, Rezeption und eben Forschung miteinander verbinden.
Ich freue mich sehr, Teil des Advisory Boards von „Comicstudien“ zu sein und bin gespannt, wie sich die Reihe entwickeln wird.
[Titelbild von Denis Pobytov/DigitalVision Vectors/Getty Images