„Die Verdichtung des Augenblicks“: Markus Kuhn im Comic-Steckbrief
Für Medienwissenschaftler Markus Kuhn heißt Comics zu lesen, Freiheit zu erleben. Mit einem inspirierenden Interview bringt er unsere Comic-Steckbriefe zu einem würdigen Abschluss.
Im Rahmen unserer Interviewreihe „Comic-Steckbriefe“ geben uns Comicforschende Einblicke in ihre Interessen, ihre Arbeit sowie ihre Hoffnungen und Wünsche für das Forschungsgebiet. Befragt werden sie von den Herausgeberinnen der geplanten Buchreihe „Comicstudien“, Juliane Blank, Irmela Krüger-Fürhoff und Véronique Sina.
Nach unserem letztwöchigen Gespräch mit Jan-Noël Thon aus Trondheim kommen wir nun bereits zum neunten und letzten Comic-Steckbrief. Dazu sprachen wir mit Prof. Dr. Markus Kuhn, Professor für Medienwissenschaft am Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Markus Kuhns vielfältige Forschungsschwerpunkte umfassen unter anderem Filmnarratologie, Transmedialität und Transkulturalität, sowie Comic, Webserien und Animationsfilm.
Was war der erste Comic, den Du gelesen hast?
Markus Kuhn: Asterix oder Lucky Luke. Welchen Band ich zu allererst gelesen habe, weiß ich nicht mehr genau und gelesen trifft es nicht wirklich: eher durchgeblättert und mir vorlesen lassen. Die Comics habe ich aus der Sammlung meiner älteren Schwester (Asterix) und meiner älteren Cousine (Lucky Luke) stibitzt. Bald schon habe ich selbst gesammelt. Zum Lesenlernen bekam ich später von meiner Mutter immer Petzi-Bücher geschenkt, damals noch mit Bildunterschriften statt Sprechblasen … Vollkommen faszinierend finde ich, dass mein Sohn es – seit er vier Jahre alt ist – ähnlich macht: Zuerst hat er mir einige Lucky-Luke-Hefte aus meiner Sammlung im Regal ‚geklaut‘, später die auf Deutsch seltenen Rantanplan-Hefte, mittlerweile auch Asterix. Und das, ohne dass ich zuvor ‚Werbung‘ dafür gemacht hätte, einfach so …
Was interessiert Dich generell an Comics?
MK: Das erzählerische Potenzial. Die Freiheit der Leser*in beim Erleben eines Comics. Das Eintauchen in die dargestellten Welten. Die kreative Poesie des Dazwischen … zwischen Text und Bild, zwischen den Panels, zwischen den Seiten … Das künstlerische Potenzial. Die Sinngebung jenseits der Worte. Die Verdichtung des Augenblicks …
Wie arbeitest Du persönlich mit Comics? Wie sieht Deine Forschung aus?
MK: In erster Linie verfolge ich erzähltheoretische Fragestellungen, mono- und intermedial. Auch die medienvergleichende Perspektive ist für mich wichtig sowie das Feld der Genretheorie und Genreanalyse. Bezüglich des Comics scheint mir die interdisziplinäre Zusammenarbeit besonders fruchtbar. Deshalb verstehe ich mich als Vermittler und versuche unterschiedliche Student*innen und Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Fächern mit Interesse am Comic zusammenzubringen und zu vernetzen. In diesem Sinne war ich als stellvertretender Leiter der Arbeitsstelle für Graphische Literatur (ArGL) an der Universität Hamburg oder im Rahmen der Roland Faelske-Stiftung tätig und versuche Vergleichbares nun auch an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel fortzuführen sowie neue Netzwerke zu etablieren.
Was macht für Dich die Reihe „Comicstudien“ aus?
MK: Der interdisziplinäre Zugriff. Die Möglichkeiten die Vielschichtigkeit dieses komplexen Mediums auch wissenschaftlich abbilden zu können. Ich bin mir sicher, dass die Herausgeber*innen mit all ihren Kompetenzen und ihrem großen Engagement eine vielfältige, kreative und höchstrelevante wissenschaftliche Reihe hervorbringen werden. Ich freue mich sehr darüber, dass ich sie dabei unterstützen darf.
[Titelbild von Daniel Go auf Flickr/CC BY-NC 2.0