„Comics sind kein Nischenthema mehr“: Daniel Stein im Comic-Steckbrief
Um kulturhistorische Zusammenhänge besser zu verstehen, müssen wir Comics als gleichberechtigte Kunstform begreifen. Dies und mehr erzählt uns Daniel Stein im zweiten Teil unserer neuen Interviewreihe.
Im Rahmen unserer Interviewreihe „Comic-Steckbriefe“ geben uns Comicforschende Einblicke in ihre Interessen, ihre Arbeit sowie ihre Hoffnungen und Wünsche für das Forschungsgebiet. Befragt werden sie von den Herausgeberinnen der geplanten Buchreihe „Comicstudien“, Juliane Blank, Irmela Krüger-Fürhoff und Véronique Sina.
Nach einem spannenden Auftakt-Interview mit Marie Schröer, steht uns als nächstes Prof. Dr. Daniel Stein, Professor für Nordamerikanische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Siegen, Rede und Antwort. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Comics, afroamerikanische Literatur und Kultur, Jazzliteratur und -historiografie, Autobiografie, Fachdidaktik und die amerikanische Medien- und Populärkultur seit dem 19. Jahrhundert.
Was war der erste Comic, den Du gelesen hast?
Daniel Stein: Ganz genau kann ich das nicht mehr rekonstruieren, aber auf jeden Fall haben die „Lucky Luke“, „Asterix und Obelix“ und „Tim und Struppi“-Alben, die mein Bruder und ich als Kinder bei Freund_innen der Familie regelmäßig verschlangen, mein Interesse an Comics nachhaltig geprägt. Ich erinnere mich auch an „Superman“-Hefte bei einer anderen befreundeten Familie, und an wöchentliche Fahrrad-Trips zum örtlichen Kiosk, bei denen das Taschengeld in die neuste Ausgabe der „Lustigen Taschenbücher“ investiert wurde.
Was sind Deine Interessenschwerpunkte in der Comicforschung?
DS: Mich reizt vor allem die Herausforderung, Comics gleichberechtigt neben anderen Medien als integralen Bestandteil kulturhistorischer Zusammenhänge und Entwicklungen zu begreifen. Dabei geht es mir eigentlich immer um das Zusammenspiel von comic-spezifischen Erzähl- und Repräsentationsformen und größeren historischen Konstellationen, d.h. um eine Sichtweise, die Inhalte und Themen mit Überlegungen zur Medialität und Materialität von Comics verbindet, um die kulturelle Arbeit einzelner Werke, Serien oder Genres zu beschreiben.
Was wünschst Du Dir für die (Zukunft der) Comicforschung?
DS: Vieles von dem, was ich mir für die Comicforschung wünsche, ist bereits eingetroffen. Denn Comics sind kein Nischenthema mehr, sondern spielen in den verschiedensten Forschungsrichtungen eine zunehmend wichtige Rolle. Besonders produktiv sind für mich dabei die interdisziplinären und internationalen Potenziale dieser Entwicklung, d.h. die relative Freiheit, auf methodische und theoretische Angebote aus den verschiedensten Disziplinen zurückzugreifen und Comicforschung auch quer zu den stellenweise immer noch relativ eng gefassten Fachtraditionen zu betreiben. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass die begrüßenswerte Institutionalisierung der Comicforschung – u.a. durch Zeitschriften, Buchreihen und Handbücher – die immense globale Vielfalt der grafischen Literatur nicht aus dem Blick verliert und für neue, auch kritische, Impulse offen bleibt.
Was macht für Dich die Reihe „Comicstudien“ aus?
DS: Die Reihe „Comicstudien“ ist für mich ein wichtiges Instrument zur Förderung hochwertiger deutschsprachiger Comicforschung. Denn trotz der zunehmenden Internationalisierung der Comicforschung und dem Trend zum Publizieren auf Englisch bleibt die Notwendigkeit deutschsprachiger Forschung bestehen. Ich freue mich auf spannende und innovative Einreichungen, die methodisches und theoretisches Neuland betreten, uns auf bislang wenig erforschte Comics und Comic-Szenen aufmerksam machen und unser Verständnis der Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Mediums bereichern.
[Titelbild von Jorge Gobbi via Wikimedia Commons/CC BY 2.0]