„Ich lasse mich immer wieder überraschen“: Janina Wildfeuer im Comic-Steckbrief
Sie ist Linguistin, doch beim Comiclesen ist die Sprache oft nicht ihr Hauptaugenmerk. Weshalb das so ist, erzählt uns Janina Wildfeuer im Interview.
Im Rahmen unserer Interviewreihe „Comic-Steckbriefe“ geben uns Comicforschende Einblicke in ihre Interessen, ihre Arbeit sowie ihre Hoffnungen und Wünsche für das Forschungsgebiet. Befragt werden sie von den Herausgeberinnen der geplanten Buchreihe „Comicstudien“, Juliane Blank, Irmela Krüger-Fürhoff und Véronique Sina.
Im letzten Steckbrief bewies uns der Autor und Künstler Ole Frahm, dass man eine Botschaft auch in (sehr) wenigen Worten gut rüberbringen kann. Heute soll Dr. Janina Wildfeuer von der Universität Groningen im Mittelpunkt stehen. Als Assistenzprofessorin lehrt und forscht sie im Bereich der multimodalen, interdisziplinären und angewandten Linguistik – auch an Filmen und Comics.
Was für Comics findest Du toll? Hast Du eine*n Lieblings-Comickünstler*in oder einen Lieblingscomic?
Janina Wildfeuer: Ich bin nicht so die typische Medienwissenschaftlerin, die sich in den unterschiedlichen Genres super gut auskennt oder ein Faible für bestimmte Zeichner*innen, etc. hat, sondern lasse mich immer wieder überraschen. Ein Geburtstagsgeschenk vor einigen Jahren war Olivia Viewegs „Schwere See, mein Herz“, das ich vor allem aufgrund der Story sehr mag. Gerade entdeckt habe ich Judith Vanistendaels „Penelopes zwei Leben“, bei dem mir die Zeichnungen unheimlich gut gefallen. Überhaupt mag ich Comics, die sich mit einzelnen Charakteren auseinandersetzen und vielleicht auch autobiographisch sind.
Wie arbeitest Du persönlich mit Comics? Wie sieht Deine Forschung aus?
JW: Comics sind nur ein Teil der Medien, mit denen ich mich meistens beschäftige, deswegen aber immer eine gern gesehene Abwechslung, vor allem im Vergleich zu dynamischen Artefakten wie Filmen, Serien oder Videospielen. In der Analyse lese ich sie dabei eher selten von vorne bis hinten, sondern schaue mir einzelne Seiten oder gar nur einzelne Panels sehr genau an. Trotz meines linguistischen Hintergrunds spielt die Sprache dann oft nur eine untergeordnete Rolle; viel spannender finde ich, wie unterschiedliche Details wie zum Beispiel Farbe oder bestimmte Linien in den Zeichnungen oder Bildern etwas ausdrücken und mit anderen Elementen im Panel oder auf der Seite interagieren. Diese oft sehr kleinteilige Analyse lässt manchmal viel von der eigentlichen Geschichte im Comic verloren gehen, allerdings mag ich es auch, wenn sich Muster und Stile auf dieser Ebene bereits wiederfinden lassen. Außerdem ermöglicht es meine Forschung, von diesem sehr detaillierten Blick herauszuzoomen und eine Perspektive auf eine größere Menge an Comicseiten oder -büchern einzunehmen und somit auch größer gedachte Fragestellungen über Genres, Zeitabschnitte, Layout, etc. zu verfolgen. Multimodale Analysen von Comics sind einfach sehr vielseitig – und machen deswegen großen Spaß.
Für unsere neue Reihe „Comicstudien” suchen wir nach interessanten Manuskripten aus dem Bereich der Comicforschung! Erfahren Sie mehr in unserem Call for Manuscripts.
Was sind Deiner Meinung nach aktuelle ‚Baustellen‘ der Comicforschung? / Wo siehst Du aktuelle Aufgaben der Comicforschung?
JW: Besonders spannend und wichtig finde ich Fragen dazu, dass Comics heute nicht mehr allein als narrative Unterhaltungsmedien gesehen werden, sondern in ganz unterschiedlichen Bildungs- und Informationskontexten eine immer wichtigere Rolle spielen und Wissen sowie kulturelle Werte und soziale Strukturen darstellen, vermitteln und auch kritisieren. Wie das im Medium selbst funktioniert, lässt sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven der Comicforschung analysieren – und ich glaube, dass hier noch mehr Triangulation und Austausch stattfinden sollte. Comicforschung war schon immer interdisziplinär, aber meiner Meinung nach könnten die Verbindungen zwischen den einzelnen Disziplinen oder Forschungsrichtungen stärker sein und das Potenzial für umfangreiche Analysen – sowohl auf einer kleinteiligen Ebene im einzelnen Comic als auch mit Blick auf datenstarke Korpora – sinnvoll genutzt werden. Dazu braucht es natürlich viel Offenheit und Interesse an Ansätzen, die nicht im eigenen Forschungskontext liegen und vielleicht ganz andere Wege gehen.
Was macht für Dich die Reihe „Comicstudien“ aus?
JW: Mir gefällt die offene, interdisziplinäre Ausrichtung der Reihe besonders gut, weil ich glaube, dass so möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven ein Ort gegeben wird, aktuelle Forschung darzustellen. Diese Ausrichtung grenzt weder den Blick ein auf Comics und alles, was darunter verstanden werden kann, noch setzt sie einen Schwerpunkt auf bestimmte Disziplinen oder Forschungsschwerpunkte und wird somit hoffentlich einmal die erstaunliche Breite und Vielfalt der Comicforschung abbilden.
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[Titelbild von Brett Jordan auf Unsplash]