Reisepionierin Ida Pfeiffer: Wie eine Wienerin die Welt eroberte
Mit Mitte vierzig, inmitten der Zeit des Biedermeier, beschloss Ida Pfeiffer, dass ihr die Rolle als Hausfrau und Mutter nicht mehr genügte. Also wurde sie Weltreisende.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch “ReiseSchreiben – Potsdamer Vorlesungen zur Reiseliteratur” von Prof. Dr. Ottmar Ette.
Ida Pfeiffer wurde im Oktober 1797 als drittes Kind der wohlhabenden Kaufmannsfamilie Reyer in der österreichischen Hauptstadt geboren. Ihre Lebensbilanz liest sich makellos: Sie legte wohl auf ihren Reisen an die 24.0000 Kilometer zur See und nicht weniger als 32.000 Kilometer auf insgesamt vier Kontinenten zurück, worüber sie insgesamt dreizehn Bücher schrieb, die in sieben Sprachen übersetzt wurden. Aber dies soll es für die Zahlenfanatiker auch gewesen sein.
Zwischen Freiheitsdrang und Konventionen
Bis zu ihrem neunten Lebensjahr wuchs Ida als einziges Mädchen unter fünf Brüdern auf. Der Vater habe keine geschlechterspezifischen Unterschiede in der Erziehung der Kinder gemacht: Ida wurde mit der gleichen Härte wie ihre Brüder behandelt. Sie trug, so heißt es, auch am liebsten Knabenkleider, und sie sagte von sich, sie sei ‘wild wie ein Junge und beherzter und vorwitziger als meine älteren Brüder’ gewesen. Das waren ideale Vorzeichen für ihre spätere Laufbahn. Denn der Vater soll des Öfteren im Scherz gesagt haben, er wolle aus ihr einen Offizier machen. Ida nahm nicht nur die harte Erziehung, sondern auch dieses Geschlechterbild an.
Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1806 versuchte die Mutter, ihre Vorstellungen von Mädchenerziehung durchzusetzen. Es gab einigen Widerstand, aber mit dreizehn Jahren musste die junge Ida endgültig Mädchenkleidung akzeptieren und die verhassten weiblichen Pflichten und Verhaltensweisen erlernen. Ihren großen Freiheitsdrang kompensierte sie durch die Lektüre von Reiseliteratur. Doch sie tat all dies tieftraurig, da ihr die Welt der Reisen, die für die Männer vorbehalten waren, ein für alle Mal verschlossen schien. Ida wehrte sich mit allem, was sie hatte, gegen ein weibliches Rollenbild, gegen die Handarbeiten und das Klavierspielen zumal.
“Wie linkisch und unbeholfen war ich Anfangs, […] wie lächerlich mußte ich in den langen Kleidern aussehen, als ich dabei noch immer lief und sprang und mich in allem benahm wie ein wilder Junge!”
Traurig verlief auch die Geschichte eines 1810 eingestellten Hauslehrers, der es irgendwie bewerkstelligte, Ida von ihren Pflichten als Frau zu überzeugen. Doch als dieser Hauslehrer, Joseph Trimmel, 1814 Ida einen Heiratsantrag machte und Ida einwilligen wollte, verweigerte die Mutter ihre Zustimmung rundweg aus Standesgründen. Ida musste schließlich nach jahrelangem Widerstand nachgeben und in eine Vernunftehe einwilligen: 1820 heiratete Ida den um vierundzwanzig Jahre älteren Advokaten Dr. Mark Anton Pfeiffer. Mit ihm zog sie nach Lemberg um. Doch bald schon stellten sich finanzielle Schwierigkeiten des Advokaten ein, der nunmehr häufig nach Arbeit suchen musste.
Ida zog mit ihren zwei Söhnen wieder nach Wien, wo sie die beiden Knaben unter enormen Schwierigkeiten großzog. Über diesen Lebensabschnitt berichtete sie ausführlich in ihrer Autobiographie. Durch heimliche Arbeit versuchte Ida, die entstandene Armut zu lindern, da sie zu stolz war, um ihre Familie um Hilfe zu bitten. Doch de facto lebten sie und ihre Kinder nun in ärmlichen Verhältnissen.
Zahlreiche kleinere Reisen erlaubten es Ida Pfeiffer, immer wieder dem Ehedasein zu entfliehen; schließlich übersiedelte sie mit ihren beiden Söhnen 1833 endgültig nach Wien und lebte nun – abgesehen von kurzen Besuchen – von ihrem Mann getrennt. Sie schuf sich ihr eigenes Leben.
ein neues Kapitel
Bis zum Tode ihres Mannes, der 1838 verstarb, gab es freilich immer Kontakte zwischen den Ehepartnern; doch zog Ida Pfeiffer als allein erziehende Mutter ihre beiden Söhne groß, bis diese das Haus verließen. Nun konnte eine neue Phase ihres Lebens beginnen. Auf kleineren Reisen hatte sie 1836 bei Triest erstmals das Meer gesehen und schwor sich, ihrer finanziellen Verhältnisse zum Trotz nicht eher zu ruhen, als bis sie ihre weiten Reisepläne in die Tat umgesetzt hatte. Mit eben jener Hartnäckigkeit, mit der sie dem Leben ständig entgegen getreten war, setzte sie ihre Pläne, so schwierig sie auch zu verwirklichen waren, um. Und sie wurde zu jener Reisenden, als welche sie in die Geschichte einging.
So begann ab 1842 – Ida Pfeiffer war damals Mitte vierzig – ihr Reiseleben, das sie bis zu ihrem Lebensende nie wieder zur Ruhe kommen lassen sollte. Es stellte sich ein Rhythmus ein, der Reisen und Schreiben eng miteinander verband: Bald sorgten die Schlichtheit und Ehrlichkeit ihrer Reiseberichte dafür, dass sie auf ein treues Lesepublikum zählen konnte. Dies galt schon für ihre erste Reise ins Heilige Land. Ursprünglich war das Tagebuch ihrer Palästinareise nur als persönliche Erinnerungshilfe gedacht; doch ließ sich Ida Pfeiffer auf Drängen des Wiener Verlegers Dirnböck zu einer zunächst anonymen Veröffentlichung drängen, was sie nicht bereute. Ihre Reise einer Wienerin in das Heilige Land erzielte vier Auflagen und wurde wie alle folgenden Reiseberichte Ida Pfeiffers in mehrere Sprachen übersetzt. Damit war ihre Karriere als professionelle Reiseschriftstellerin eingeleitet.
Diese erste größere Reise führte sie ab März 1842 nach Konstantinopel, Beirut, Jerusalem, Damaskus, Baalbek und Alexandria sowie Kairo, bevor sie wieder über Sizilien und Italien Ende des Jahres 1842 Wien erreichte. Lange Zeit hielt sie das Anonymat dieser Reise, welche ihre Wiener Freunde als viel zu gefährlich für eine Frau erachtet hatten, aufrecht. Doch ihre Reise gab ihr Mut und ihr Reisebericht das dringend benötigte Geld für weitere Reisen, die sich bald schon anschlossen.
Knapp zweieinhalb Jahre nach ihrer Rückkehr aus dem Orient durchstreifte sie sechs Monate lang Skandinavien und Island. Das für sie vollkommen ungewöhnliche Leben der isländischen Bevölkerung beschrieb sie in ihrer Reise nach dem skandinavischen Norden und der Insel Island im Jahre 1845 in zwei wiederum sehr erfolgreichen Bänden. Sie hatte zwischenzeitlich Englisch gelernt und sich Kenntnisse im naturkundlichen Bereich, aber auch etwa in der Photographie angeeignet. Gegen Ende ihrer Reise wurde sie in Stockholm der schwedischen Königin vorgestellt. Doch ihren Ruf als Weltreisende begründete die Wienerin dann mit ihrer 1850 in drei Bänden erschienenen Frauenfahrt um die Welt.
Frauenfahrt um die Welt
Im Mai 1846 brach Ida Pfeiffer auf und gelangte über Hamburg nach Rio de Janeiro, wo wir sie etwas später wiedersehen werden. Eine Teilerkundung Brasiliens schloss sich an. Danach ging es im Februar 1847 in Richtung Kap Hoorn, von wo sie über Valparaíso schließlich Tahiti erreichte. Von dort reiste sie weiter nach Macau, Hongkong und Kanton, bevor sie über Singapur und Ceylon den indischen Subkontinent betrat. Calcutta, Benares und Bombay waren dort ihre Stationen.
Sie wurde immer wieder – wie auch an anderen Punkten ihrer Reise – gefährdet und bedroht. Doch Ida Pfeiffer gab nicht auf und ließ sich auch auf gefährliche Wegstrecken ein, von denen man ihr eigentlich abgeraten hatte. Im April 1848 reiste sie weiter nach Mesopotamien, besuchte Bagdad, sah die Ruinen von Babylon und Ninive, bevor sie dann über Armenien, Georgien, Odessa und Konstantinopel wieder in ihre Heimatstadt zurückkehrte.
Durch Nachrichten von der Revolution von 1848 beunruhigt und aus Sorge um ihre Angehörigen brach Ida Pfeiffer ihre Weltreise frühzeitig ab; nach zweieinhalb Jahren Abwesenheit erreichte sie ein belagertes Wien, das am 31. Oktober von den kaiserlichen Truppen im Sturm genommen wurde. Die Revolution war gescheitert. Erst danach durfte sie ihre Heimatstadt wieder betreten. Sie hatte zum ersten Male als Frau die Welt umrundet.
“Wie es den Maler drängt, ein Bild zu malen, den Dichter, seine Gedanken auszusprechen, so drängt es mich, die Welt zu sehen. Reisen war der Traum meiner Jugend, Erinnerung des Gesehenen ist nun das Labsal meines Alters.”
Mit dreiundfünfzig Jahren startete Ida Pfeiffer dann ihre zweite Frauenreise um den Erdball. Diese dauerte mehr als vier Jahre und führte sie nach Kapstadt, tief in die indonesische Inselwelt, zu ausgedehnten Reisen quer durch Nord- und Südamerika. Die großen Strapazen dieser zweiten Weltumrundung setzten ihr freilich zu. Ihr Gesundheitszustand begann sich langsam zu verschlechtern. Aufgrund der gebotenen Kürze ist diese zweite Weltumrundung hier nicht in allen Details darstellbar. Doch selbst Alexander von Humboldt, der Pfeiffer kennen- und schätzen gelernt und ihr gemeinsam mit Carl Ritter als erster Frau, wie bereits betont, zu einer Ehrenmitgliedschaft in der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin verholfen hatte, riet ihr von einer weiteren Reise und einem Besuch Madagaskars dringend ab.
Ungerührt bestieg sie jedoch 1856 in Rotterdam ein Schiff nach Mauritius, wo sie sich mehrere Monate lang aufhielt. Doch ihre Reise nach Madagaskar stand unter keinem guten Stern. In eine missglückte Verschwörung gegen die Königin verwickelt und der Spionage angeklagt, wurde sie zunächst inhaftiert und dann des Landes verwiesen. Nach Mauritius zurückgekehrt, musste sie ihre geplante Australienreise wegen der von ihr mitgeschleppten Malariaerkrankung abbrechen. So gelangte sie nicht mehr, wie eigentlich geplant, auf den fünften Kontinent.
Im September 1858 kehrte sie schwer gezeichnet nach Wien zurück. Dort starb sie in der Nacht vom 27. auf den 28. Oktober 1858. Ihr Lebensbericht war zu einem Reisebericht geworden, der nun zu Ende war.
[Title Image via Wikimedia Commons, CC BY 4.0]