Wissenschaftspodcasts: Ein Blick hinter die Kulissen mit Nadine Kreuzahler
Einfach ans Mikrofon setzen und loslabern? Für einen erfolgreichen Wissenschaftspodcast braucht es mehr! Zum Launch unseres neuen Podcasts „Wagnis Wissen“ sprachen wir mit der Moderatorin Nadine Kreuzahler über die Besonderheiten des Formats, ihre persönlichen Erfahrungen und Tipps für angehende Podcaster.
Komplizierte Sachverhalte im Plauderton erklären und dabei noch die Augen und Hände frei halten zum Wäsche aufhängen oder Joggen – das können aktuell nur Wissenschaftspodcasts. Das Format erfreut sich großer Beliebtheit, doch die Konkurrenz ist groß und es stellt sich die Frage: Was macht einen Wissenschaftspodcast wirklich hörenswert? Und wie gelingt es angehenden Moderator*innen, die richtigen Fragen zu stellen?
Anlässlich des Starts unseren neuen De Gruyter Podcasts „Wagnis Wissen“, haben wir die Moderatorin Nadine Kreuzahler zum Gespräch eingeladen, um über ihre Erfahrungen im Podcasting zu sprechen. Nadine ist freie Journalistin und Moderatorin und arbeitet seit 2003 für verschiedene öffentlich-rechtliche Sender, vor allem für den RBB, wo sie eine der Hosts des Bücher Podcasts „Orte & Worte“ ist. Außerdem hostet sie Podcasts für die Menschenrechtsorganisationen Reporter ohne Grenzen und Forum Menschenrechte. Bei „Wagnis Wissen“ wird sie die Zuhörenden in den kommenden Wochen und Monaten durch vorerst vier Staffeln mit vier Themen führen, in denen sie mit Expert*innen aus der Wissenschaft über drängende Fragen der Gegenwart spricht.
Das Interview führte Alexandra Hinz von De Gruyter.
Alexandra Hinz: Was für Podcasts hörst du gerne?
Nadine Kreuzahler: Ich höre querbeet, natürlich auch eigene Sachen und von Kolleg*innen, um da einfach auf dem aktuellen Stand zu sein. Regelmäßig höre ich die „Newsjunkies“ von rbb24 Inforadio – weil meine Kolleg*innen mir hier jeden Tag eine Vertiefung über ein wichtiges Thema aus den Nachrichten liefern. Das höre ich gerne zum Feierabend, um mich noch mal upzudaten. Wenn ich ganz viel Zeit habe, höre ich „Alles gesagt?“, den genialen Interviewpodcast der ZEIT. Jedesmal ist eine interessante Persönlichkeit aus der Kultur, Politik oder Wissenschaft zu Gast, und zwar so lange, bis die Person selbst erklärt: jetzt ist alles gesagt. Diese Gespräche dauern so lange sie dauern, das sind drei, vier, aber auch neun Stunden. Tolle Recherchen hole ich mir auch gerne aufs Ohr. „Teurer Wohnen“ zum Beispiel erzählt anhand der Geschichte einer Berliner Entmietung spannende Hintergründe über den Wahnsinn der aktuellen Wohnungssituation in Großstädten. Was ich vermisse, ist ein richtig guter sinnlicher Koch-Podcast. Ich koche nämlich gerne. Falls da jemand einen Tipp für mich hat …
AH: Was glaubst du, macht Podcasts als Medium für die Vermittlung von wissenschaftlichen Inhalten so geeignet?
“Podcasting muss sich nicht so streng an die Vorgaben der Wissenschaft halten und kann dabei trotzdem in die Tiefe gehen.”
NK: Ich glaube, dass Podcasting ein wirklich schönes Format ist, denn es unterscheidet sich von den gängigen wissenschaftlichen Formaten wie einer klassischen Vorlesung oder einem Seminar, in denen streng wissenschaftlich geredet wird. Im Podcast kann man auch ein bisschen persönlicher werden – mit dem Wissenschaftler oder der Wissenschaftlerin ins Gespräch kommen und ein paar Hintergründe erfahren: Was ist die Motivation des Gesprächspartners oder der Gesprächspartnerin? Wie sind sie überhaupt auf das Thema gekommen? Es ist ein relativ lockeres Gesprächsformat, das sich zwischen Wissenschaftlichkeit und Unterhaltung bewegen soll und auch bewegen kann. Es muss sich nicht so streng an die Vorgaben der Wissenschaft halten und kann dabei trotzdem in die Tiefe gehen.
AH: Wie unterscheiden sich deine Erfahrungen im Podcasting von denen im Radio?
NK: Podcasting ist etwas ganz anderes als Radiomachen und einiges ist dann aber doch sehr ähnlich – der Umgang mit Gesprächspartner*innen, die Moderation, die Art, Fragen zu stellen und mich auf ein Gespräch vorzubereiten sind sehr ähnlich. Was beim Podcasting schön ist, ist, dass die Form etwas offener ist und wir in der Regel ein bisschen mehr Zeit haben. Beim Radio muss ein Gespräch ja doch in ganz bestimmte Zeit- und Formatvorgaben passen. Beim Podcasting ist es etwas freier.
AH: Wie bereitest du dich auf die einzelnen Episoden von „Wagnis Wissen“ vor?
NK: Ich lese natürlich die Texte meiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner, die bei De Gruyter erschienen sind, weil es ja auch darum geht, über diese Veröffentlichungen ins Gespräch zu kommen. Dann schaue ich natürlich: Was haben diejenigen sonst noch so veröffentlicht? Vielleicht haben sie einen Blog oder sind auch schon mal in anderen Podcasts aufgetaucht? Ich versuche so viel wie möglich von meinen Gesprächspartner*innen zu lesen, mich aber auch über andere Positionen zu informieren, die es zum Thema gibt, damit ich dann die richtigen Fragen stellen kann.
AH: Gab es bei der Vorbereitung oder auch beim Diskutieren bestimmte Themen, die dir besonders viel Spaß gemacht haben?
NK: Eigentlich finde ich bisher alle Themen gleich spannend und gleich interessant. Für mich ist es immer dann besonders spannend und herausfordernd, wenn ich vorher wenig weiß über die Thematik, über die ich sprechen werde. Die Themen sind ja auch ganz unterschiedlich. Wir reden in der ersten Staffel über Popliteratur, Popfeminismus und über eine mögliche Popliteratur, die sich durch die sozialen Medien entwickelt. Damit habe ich mich schon auseinandergesetzt, weil ich mich ja auch in meinem sonstigen beruflichen Leben viel mit Literatur beschäftige. Aber auch da war es interessant, noch einmal mit dem Blick von heute darauf zu gucken: Wie ist der aktuelle Stand? Gibt es Popliteratur eigentlich noch und was ist Popliteratur heute?
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In der zweiten Staffel reden wir über künstliche Intelligenz und schauen von verschiedenen Standpunkten darauf. Da geht es um Architektur, um künstlerisches Schaffen und auch um Ethik. Gerade der Bereich künstliche Intelligenz ist ja so aktuell und wichtig auf so vielen verschiedenen Ebenen. Ich habe aber bei meiner Vorbereitung gemerkt, dass ich wenig darüber weiß, was eigentlich gerade überall passiert, ohne dass wir „Normalsterblichen“ es überhaupt mitkriegen – hinter wie vielen Türen da schon geforscht wird und wie viele Ebenen und Tools es mittlerweile gibt. Insofern war dieser Themenkomplex für mich besonders spannend.
Ich habe gelernt, dass zum Beispiel in der Architektur künstliche Intelligenz schon sehr viel angewendet wird. Mein Gesprächspartner Georg Vrachliotis von der Universität Delft konnte mir aber wirklich jede Angst nehmen, dass Architekt*innen in Zukunft überflüssig werden, sondern er hat vermittelt, dass künstliche Intelligenz tatsächlich eine Chance sein kann, zum Beispiel um sozialere und auch nachhaltigere Architektur zu entwickeln. Das war eine spannende Perspektive, mit der ich mich vorher noch gar nicht auseinandergesetzt hatte.
AH: Ist dir irgendein kurioser Moment während der Aufnahmen besonders im Gedächtnis geblieben?
NK: Ein lustiger Moment war, als die Katze vom Literaturwissenschaftler Moritz Baßler sich immer wieder im Hintergrund gemeldet hat. Sie wollte auf sich aufmerksam machen und das Gespräch hat ihr viel zu lange gedauert.
AH: Was siehst du als Erfolgsrezept für einen erfolgreichen Wissenspodcast? Und was würdest du Leuten raten, die ihren eigenen Wissenschaftspodcast starten wollen?
“Ich finde es immer wichtig, mich zu fragen: Was hat dieses wissenschaftliche Thema mit uns und unserem Leben zu tun?”
NK: Ich glaube, dass Menschen, die einen Wissenspodcast hören, daran interessiert sind, dass drängende und wichtige wissenschaftliche Fragen der Gegenwart leicht verständlich beantwortet werden, aber komplizierte Sachverhalte trotzdem nicht ausgespart werden. Leicht verständlich heißt eben nicht oberflächlich. Dass man einen Zugang findet zu so komplizierten Themen wie künstliche Intelligenz und Ethik oder auch Zeit-Vorstellungen der Antike, über die wir ja in der dritten Staffel sprechen. Dass diese Themen im Gespräch so aufbereitet und verhandelt werden, dass auch Menschen, die keine Expert*innen sind gut einsteigen können. Ich finde es immer wichtig, mich zu fragen: Was hat dieses wissenschaftliche Thema mit uns und unserem Leben zu tun? Wie kann ich da anknüpfen? Wie kann ich diese Themen aus der wissenschaftlichen Blase herausholen in die Wirklichkeit, in den Alltag und näher zu uns?
Ich würde Podcastern raten, mich vorab gut zum Thema informieren, viel zu lesen, aber auch nicht zu viel, damit ich mir nicht selbst schon alle Fragen beantworte. Es sollten noch einige Fragen übrigbleiben, die ich meinen Gesprächspartner*innen mit Neugier stellen kann. Man sollte die Fragen so stellen, wie sie auch die Hörerin oder der Hörer stellen würde – Leute, die neugierig sind aufs Thema aber nicht in den ganzen Details drinstecken. Man muss überlegen: Was könnte jemanden interessieren, der noch nicht so viel dazu gelesen hat?
AH: Vielen Dank für das interessante Gespräch, Nadine!
[Title image by Imagesrouges/iStock/Getty Images Plus]