10 Jahre Open-Access-Bücher bei De Gruyter: Lena Zschunke und ihr Gewinnertitel „Der Engel in der Moderne”
Wir feiern immer noch (mehr als) 10 Jahre Open-Access-Bücher bei De Gruyter! Als Preisträgerin des dazugehörigen Wettbewerbs stellt sich Lena Zschunke im Kurzinterview vor.
Vor etwas mehr als einem Jahr schrieben wir einen Open-Access-Preis aus, für den sich Forschende aus allen Fachrichtungen mit ihren Buchprojekten bewerben konnten. Eine Fachjury wählte die 10 vielversprechendsten Titel aus, die nun kostenlos im Open-Access-Modell publiziert werden.
In kurzen deutsch- oder englischsprachigen Interviews – je nach Publikationssprache des entsprechenden Buchtitels – stellen wir die 10 Preisträger und Preisträgerinnen dieses spannenden Wettbewerbs näher vor. In kurzen Interviews lernen Sie die Personen, ihre Bücher und ihre Haltung zu Open Access näher kennen.
Nach Dominique Haensell, Özkan Ezli und Michael Navratil steht uns im vierten Teil der Reihe Lena Zschunke Rede und Antwort. Sie ist Autorin des Titels „Der Engel in der Moderne: Eine Figur zwischen Exilgegenwart und Zukunftsvision”.
De Gruyter: Bitte stellen Sie sich kurz vor!
Lena Zschunke: Ich habe 2020 meine Promotion in Neuerer deutscher Literatur an der Humboldt-Universität abgeschlossen. Davor habe ich Germanistik und Philosophie sowie Literatur- und Kulturtheorie in Tübingen studiert. Mittlerweile bin ich als Unternehmensberaterin tätig. Auch hier geht es letztlich um hermeneutische Fragen, bei denen mir das intellektuelle Rüstzeug aus den Geisteswissenschaften hilft. Umgekehrt versuche ich, den Kontakt zum Wissenschafts- und Kulturbetrieb nicht abreißen zu lassen.
DG: Worum geht es in Ihrem Buch?
LZ: In meinem Buch geht es um die Frage, wieso in Texten der Moderne so viele Engel auftauchen. Ich fand es nicht plausibel, dass diese Omnipräsenz nur nostalgische Gründe haben soll, sondern bin davon ausgegangen, dass sie mehr bedeuten muss. Und tatsächlich: Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass Engel vielfach für die Reflexion von Exilsituationen und neuen gesellschaftlichen Ordnungen genutzt werden – und sie damit in Verbindung zu wesentlichen geschichtsphilosophischen und politischen Fragen des 20. Jahrhunderts stehen. Engel boten sich hier deshalb an, weil sie seit Anbeginn der Bibelrezeption Figuren voller Ambivalenz zwischen Reinheit und Sünde, Machtstabilisierung und Umsturz, Schönheit und Monstrosität sind. Verkürzt gesagt waren Engel immer schon weltzugewandter und „unreiner“, als es sich die frühen christlichen Engelslehren gewünscht hätten. Umgekehrt ist die moderne Literatur nicht so religionsfrei, wie es eine auf dem Säkularisierungsnarrativ aufsattelnde Literaturwissenschaft wahrhaben wollte.
„Durch die luzide Durchdringung der Angelologie und ihrer heterogenen Traditionsbestände sowie die klugen, auch literaturtheoretisch informierten (…) Textanalysen kann die [Arbeit] klarmachen, warum sich die Auseinandersetzung mit Engelsfiguren gerade modernen Autorinnen und Autoren aufdrängte (…).”
DG: Woher kam der Impuls, Ihr Buch im Open-Access-Modell publizieren zu wollen?
LZ: Der Wunsch, meine Dissertation open access zu publizieren, war schon sehr früh da. Er entstammt letztlich dem humanistischen Gedanken, dass Wissen für alle Menschen frei zugänglich sein sollte. Hinzukommt, dass meine Promotion mit Steuergeld finanziert wurde und die Öffentlichkeit in meinen Augen ein Anrecht darauf hat, nicht noch einmal dafür bezahlen zu müssen. Natürlich hoffe ich auch, dass mein Buch auf diese Weise eine größere Reichweite erhält – und freue mich daher sehr über den Preis, herzlichen Dank!
[Titelbild von Veit Hammer/Unsplash]